Let´s talk about TEXtiles: Ein Faktencheck zum Thema Wolle und anderen Tierhaaren

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In diesem Artikel wollen wir euch ein Übersicht über die Eigenschaften von Wolle geben und vor allem zeigen was dahinter steckt und was Wolle in der Anwendung so kann. 

Schon im Jahre 3500 v Chr. trugen Menschen Wolle. Das lässt zumindest die älteste Wollbekleidung, die in Dänemark gefunden wurde, auf sich schließen. Wolle ist, wie auch beispielsweise Leinen, eine europäische Traditionsfaser. Beide Fasern sind mit, von Natur aus, unglaublich tollen Eigenschaften ausgestattet, die dann aber über die Zeit durch Ereignisse, wie dem Baumwoll Import oder der Entwicklung der Chemiefaser in den 1930er Jahren, schneller und billiger ersetzt worden sind. Es ist erstaunlich aufwendig geworden, einen Strickpulli zu kaufen, dem nicht Acryl oder Polyester beigemischt wurde.Der Anteil von Wolle am globalen Fasermarkt lag die letzten Jahre immer irgendwo zwischen 1,3 -1,6%. Dabei stellen Länder wie Australien, China und Neuseeland die Hauptproduktions – Standorte von Schafwolle, Mohair, Kaschmir etc. dar.

In einer Kolumne für Die Zeit Online schreibt Christoph Drösser “Erfände ein Chemiekonzern heute die Wolle, würde das als Sensation gefeiert.” (DIE ZEIT Nr. 43/2014, 16. Oktober 2014)

Wolle rein Objektiv betrachtet, ist tatsächlich ein wahres Geschenk der Natur. Wolle kann irgendwie alles und bringt Eigenschaften mit, die man sonst mit viel Chemie und aufwendigen Prozessen zu erzielen versucht.  Das Tierfaser -Thema  ist aber auch, wie in so vielen Bereichen der Nachhaltigen Textilindustrie, ein emotionales. Die Praktiken der konventionellen Wollindustrie sind in den letzten Jahren mehr und mehr ins Licht der Medien gerückt und haben für viel Diskussion und Schrecken gesorgt. 

Wie ihr vielleicht wisst, schreiben Ann Cathrin und Ich ( Franziska) nicht nur dieses Blog sondern, haben auch ein eigenes Woll Label Modus Intarsia, das ausgekämmte Hundewolle in Deutschland sourced und zu flauschig weichem Garn verarbeitet. Da es bei unserem Produkt bei Modus Intarsia aber genau darum geht, dass wir  eine Tierfaser anbieten, die eben nicht diese brutalen Praktiken der konventionellen Industrie unterstützt, sondern rein die positiven Eigenschaften der Faser nutzt, wollen wir euch auf eine kurze objektive Reise in die Welt der tierischen Fasern mitnehmen und zeigen, was jetzt genau an Tierhaaren so toll ist und warum wir auf feines Tierhaar als Rohstoff setzen. 

1. Einteilung

Die folgenden Erörterungen sind relativ ausführlich. Wer keine Lust darauf hat, kann einfach immer nur den finalen farbig unterlegten Satz lesen.Selbiger fasst den Abschnitt kurz zusammen.

Zunächst einmal schauen wir uns die Einteilung der Naturfasern genauer an. Man kann allgemein zwischen pflanzlichen und tierischen Fasern unterscheiden. 

Und dann differenziert man noch einmal bei den tierischen Fasern zwischen Wolle, feinem Tierhaar und Seide. Die Seide interessiert uns jetzt mal nicht, sondern wir fokussieren uns auf alles was 4 Beine hat. Wolle ist Alles das, was vom Schaf kommt, feines Tierhaar der Rest. 

Wolle ist alles vom Schaf, feines Tierhaar alles Andere. Mit der Seide zusammen gehören sie zu den tierischen Fasern, die den Naturfasern unterzuordnen sind. 

2. Die Faser

Tierische Fasern sind Proteinfasern. Sie sind von einer Cuticula umgeben, die sich aus Schuppen zusammensetzt, und bestehen aus 2 verschiedenen Komponenten.

Puh klingt jetzt vielleicht ein bisschen nach nervigem Bio – Unterricht, ist aber gar nicht so schwer und vor allem versteht man nach diesem Abschnitt auch, warum Wolle sich kräuselt, verfilzt und manchmal kratzt. 

Ok, Frage N°1 : “Warum kräuselt sich Wolle?”

Wie oben schon erwähnt besteht die Faser aus 2 Komponenten. Das nennt man “bilateral”. Die 2 Komponenten nennt man Orthocortex und Paracortex. 
Der hellbraune Teil in unserem Schaubild, die Orthocortex, stellt immer die Außenseite der Krümmung dar. Jetzt ist das nämlich so, dass jede Komponente, nochmal in sich aus ganz vielen Macrofibrillen besteht. Am besten kann man sich das vorstellen wie eine dieser Packungen mit Wattestäbchen. 

In der Orthocortex sind die Macrofibrillen nicht ganz so dicht gepackt, sprich da sind nicht ganz so viele Wattestäbchen in der Packung. Außerdem sind die Fibrillen dehnbar, und zwar um das 2 fache ihrer Länge.

Der dunkelbraune Teil in unserem Schaubild, ist die Paracortex. Die ist stabiler als der hellbraune Teil. Also da sind mehr Wattestäbchen drin, und der Ganze Spaß ist auch nicht so dehnbar. 
Jetzt kann man sich das also vorstellen, also würde man zwei Gummibänder nehmen, das eine spannen und das andere nicht und dann zusammenkleben. Wenn der Kleber getrocknet ist, zieht der gespannte Teil den ungespannten zusammen 

– et voilá haben wir ein gekräuseltes Gummiband. So funktioniert das praktisch auch bei der Wolle. 

Dazu kommt, dass je stärker diese zwei Komponenten miteinander verwunden sind, desto stärker kräuselt sich die Faser. Bei sehr feiner Merinowolle sind Ortho- und Paracortex zum Beispiel sehr stark spiralförmig ineinander verwunden, weswegen sich die Wolle dann stark kräuselt.

Bei gröberer Wolle, die eher wenig gekräuselt ist, sind Para- und Orthocortex weniger ineinander verwunden, sondern eher symmetrisch angeordnet. Außerdem gibts da in der Mitte der Faser noch einen Markstrang, der größer wird, je gröber die Wolle ist, und so auch Einfluss auf die Kräuselung nimmt.  Aber wir wollen jetzt nicht zu tief gehen.

Wolle kann man ein bisschen mit 2 Gummibändern vergleichen, die man zusammengeklebt hat:  das eine Gummiband im gespannten, das andere Gummiband im entspannten Zustand. Der Spannungsunterschied bewirkt das Kräuseln. 

Frage N°2: Warum filzt Wolle und was macht da die Industrie dagegen? 

Wolle hat ein hervorragendes Quellvermögen, vor allem die Orthocortex kann sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen. Wenn man also Wolle nass macht, quillt sie und die Schuppenschicht wandert ja irgendwie mit, bzw die Schuppen werden nach außen geschoben. Wenn jetzt Schuppenschicht an Schuppenschicht reibt, weil ja nicht alle Fasern exakt in eine Richtung orientiert nebeneinander liegen, verhaken sich die Fasern ineinander und es entsteht der dicht gepackte Filz, den man so kennt. 
Die Industrie rüstet deswegen „Filzfrei“ aus, um eben zu verhindern, dass man seinen Pulli in die Waschmaschine wirft, und er kleiner und verfilzt wieder rauskommt. Dabei wird meist mit irgendeiner Chemie versucht an den Schuppen “zu knabbern” oder die Oberfläche zu versiegeln. Das verhindert dann, dass die Schuppen sich ineinander verhaken können. 

Die Wolle ist von einer Schuppenschicht umgeben. Wenn man die Woll nass macht, quillt die Faser und die Schuppen schieben sich noch ein bisschen weiter nach außen. Wenn man jetzt Faser an Faser reibt dann verhaken sich die Schuppen und der bekannte Filz ist geboren. 

Frage N°3 : Warum kratzt Wolle und warum ist Kaschmir, Chiengora und Co so weich?

Wolle hat ja, wie schon oben erwähnt, eine Schuppenzellenschicht. Jetzt ist es so, dass diese Schuppenzellenschicht bei grober Schafwolle, die auch einen großen Durchmesser hat, mehr ausgeprägt ist. Die Schuppen stehen hier auch mehr von der Faser ab, und das Reiben der Schuppen auf der Haut ist dann das, was sich so kratzig anfühlt beziehungsweise, was die Haut sogar so reizen kann, dass es zu trockenen, gereizten Stellen kommt.

Je kleiner der Durchmesser ist und je feiner die Oberflächenstruktur desto weicher ist die Wolle dann auch im Umkehrschluss, wie es bei Merino, Kaschmir, Chiengora von Modus Intarsia und Co. der Fall ist. 

Das, was kratzt sind die Schuppen, je gröber die Wolle, also je dicker der Durchmesser und je gröber die Schuppenschicht, desto kratziger fühlt sich die Wolle auf der Haut an.

3. Was können Wolle und feines Tierhaar denn als Materialien alles so?

Da machen wir jetzt einen Talent- Schnelldurchlauf:

hohe Feuchtigkeitsaufnahme

Wolle kann im Verhältnis fast doppelt so viel Feuchtigkeit aufnehmen wie Baumwolle. Ein Funktionstextil aus Wolle also, kann in der Anwendung den Wasserdampf von einer schwitzenden Haut problemlos, bis zu einem bestimmten Grad, aufnehmen und fühlt sich dabei nicht nass an. Weiter ist es auch in der Lage, die Feuchtigkeit relativ gut und schnell wieder abzugeben. 
Anwendungsbereich für diese Selbstregulierungsfähigkeit sind dann eben oft Winter- oder Outdoorfunktionstextilien. 

geringe Knitterneigung

Das liegt daran, dass Wolle sehr elastisch ist und so immer wieder in seine Ursprungsform “ zurück springt”. 

Anwendung findet diese Eigenschaft beispielsweise bei edlen Wollstoffen in der Bekleidungsindustrie.

wärmeisolierend

Je gekräuselter die Wolle ist, desto wärmer ist sie. Das liegt daran, dass diese Fasern ganz viel Luft in den Zwischenräumen einschließen können, die durch die Kräuselung entstehen und so das Wolltextil dann wärmeisolierend wirkt. Je glatter die Faser, desto weniger Luft kann eingeschlossen werden und desto weniger gibt die Faser warm. Das kann im Umkehrschluss auch genutzt werden. Die “Cool Wool” ist ein sehr stark gedrehtes Wollgarn, dass so den Lufteinschluss verhindert und zu Stoff verarbeitet sich angenehm kühl und edel anfühlt.

Anwendung findet diese Eigenschaft natürlich bei Bekleidung entsprechend der klimatischen Verhältnisse/ Jahreszeiten wie zum Beispiel dicke wärme isoliernede Winterpullis oder Mäntel und im Sommer kühlende leichte Wollstoffe für Hosen.

selbstreinigend

Die Faser ist ständig “in Bewegung”, da sie immer das Bedürfnis hat Feuchtigkeit aus der Luft aufzunehmen und dann zu quellen, die Feuchtigkeit wieder abzugeben, dann natürlich “zu schrumpfen”. Dieser Prozess wiederholt sich die ganze Zeit. Dabei quillt die Orthocortex, also die eine Hälfte des Faserkerns, lieber als die andere, was die Faser dann mehr “aufspannt”. Durch diese ganze Bewegung, reibt die Faser sozusagen den Schmutz ein Stück weit ab bzw. Schmutz und Dreck sind leichter zu entfernen, weil sie sich nicht gut festsetzen können. Außerdem kann Wolle Gerüche sehr gut neutralisieren. Meist reicht es deshalb das Teil einfach nur zu Lüften, anstatt es zu waschen. 

Diese Eigenschaft ist natürlich anwendbar für Sportler und macht das Wolltextil zu einem sehr nachhaltigen, was die Pflege angeht, da es oft nur gelüftet und nicht gewaschen werden muss. 

Wasserabweisend
Die wasserabweisende Eigenschaft gibt die Schuppenzellenschicht der Wolle, die in ihrerer Chemie einfach kein Wasser mag, sondern nur Wasserdampf durchlässt. 
Ein Anwendungsbeispiel ist zum Beispiel ein dicht gewebter Wintermantel aus Wolle oder ein wollener Filzhut, die bis zu einem gewissen Grad Wasserabweisend sind. 

* Quellen stellen Vorlesungsinhalte, Skripte und der persönliche Austausch mit Professoren dar, weswegen keine Literaturquellen angegeben werden können* 

Kategorie Let's talk about Textiles

Ich will ein Teil der „Generation Textilingenieur*innen“ sein, die sich an dem David-gegen-Goliath-Spiel in der Textilindustrie versucht – in grün natürlich. Deswegen glaube ich fest daran, dass Wissen Macht bedeutet und jede*r Konsument*in das Recht darauf hat, zu erfahren, was hinter den Produkten steht, die sie täglich konsumieren oder auf der Haut tragen. Lasst uns Anfangen nachzudenken und die richtigen Fragen zu stellen! Die Homepage unserer Chiengora Wolle findet ihr unter https://modusintarsia.com/

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