Let´s talk about TEXtiles: Von der Faser bis zum Body auf der Schwäbischen Alb

{ dieser Post ist auf Basis eines PR Samples entstanden – durch mein absolviertes Praktikum dort ist meine Mühe aber unbezahlt und Herzenssache }

Wie der ein oder andere wahrscheinlich weiß, studiere ich Textiltechnologie an der Hochschule Reutlingen. Um live zu erleben was da in der Industrie wirklich passiert, habe ich es mir angewöhnt, freiwillige Betriebspraktikas in den Semesterferien zu absolvieren. Auf der Suche nach einem Betrieb, der noch in Deutschland produziert und dann am liebsten noch irgendwie „nachhaltig“ bin ich um ein paar Ecken auf einen in Albstadt-Tailfingen gestoßen. Was mich damals an diesem Betrieb gereizt hatte, war, dass noch fast vollstufig in einem Gebäude produziert wird. Also Design, Stricken, Färben, Trocknen, Konfektionieren und Verpacken auf einem Fleck. Warum das so besonders ist? Das gibt es in Deutschland wirklich kaum noch und gerade als angehende Textilingenieurin habe ich mir keinen besseren Ort für ein Praktikum suchen können. Als ich im Sommer 2017 das Praktikum absolvierte, war damals schon die Rede im Betrieb von einem neuen Jungen Label, dass Anfang diesen Jahres gelauncht werden soll. Denn bis dato wurde entweder nur für andere Marken produziert oder für eine mehr oder weniger eigene moderne Kollektion für die Dame ab 50, die meine Oma vor allem beim Witt&Weiden immer bestellt. Was mich schon immer wunderte, die „Made in Germany“ und „Nachhaltigkeits“ Masche war gar nicht so bewusst oder präsent. Gerade Mey oder Trigema werben ja krass für ihre Deutsche Qualität, in diesem Betrieb war das halt einfach so – schon seit Generationen.

Damals habe ich schon dem Universum für die Entscheidung des jungen Labels und erkennen der eigenen Stärke gedankt, denn es steckt so viel Potenzial in einem Betrieb, der seinen Hauptproduktionsstandort in Deutschland hat: Minimierung der Transportwege, totale Transparenz, Sicherung von Arbeitsstandards und und und. Für mich immer noch mit Abstand die nachhaltigste Art und Weise Textilien zu produzieren.

Nun aber genug zum personal Backround. Um was es eigentlich geht ist, dass dieses geniale junge Label CONTRAER nun gelauncht wurde und ich ganz verliebt in die Puristik und Einfachheit der Kollektion bin( und weil mich schon mehrere darauf angesprochen haben: ja, erlich textil könnte eventuell im selben Haus produzieren lassen ).

Dadurch, dass die Textilien ja zu einem sehr großen Teil noch in diesem einen Gebäudekomplex produziert werden, ist es ein leichtes, euch einmal den kompletten Produktionsablauf eines einfach MicroModal Stringbodies nahe zu bringen. Ich finde es so unglaublich wichtig, dass jemand, der sich nicht täglich mit dem Thema auseinander setzt sieht, wie viele Schritte es eigentlich für so ein einfaches Teil braucht. Und da ich selbst schon zwei Wochen zwischen den ganzen Maschinen rumgesprungen bin, kann ich 100% für die Glaubwürdigkeit dieses Firma einstehen ( ihr wisst ja, das greenwashing thema und so).

Design

Das Design für unseren Body entsteht in der hauseigenen Designabteilung. Zum Designprozess an sich kann ich nicht viel sagen aber dafür für das verwendete Material:

MicroModal heißt das Material aus dem dieser Body entsteht. MicroModal ist eine regenerative Cellulosefaser – puh das klingt ganz schön kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach.

Regenerative Cellulosefasern gehören zu den Chemiefasern – also Fasern, die wir nicht so in der Natur finden, wie Baumwolle zum Beispiel, sondern Fasern, die wir Menschen uns mit etwas Chemie zusammenrühren. Und bei diesen Chemiefasern kann man dann noch mal Unterscheiden ob sie natürlich basiert oder auf Erdöl basiert sind. Regenerative Cellulosefasern gehören zu den natürlich basierten, weil sie, wie der Name schon verrät, auf Cellulose basiert sind. Diese Cellulose wird in einem Chemischen Prozess aus Holz gewonnen. Aus der gewonnenen Cellulose wird wiederum in einem zweiten Chemischen Prozess ( den ich euch hier mal erspare ) eine Spinnlösung hergestellt. Und jetzt könnt ihr euch die Faserherstellung so vorstellen, dass ihr eine runde Platte mit ganz ganz vielen kleinen Löchern habt, durch die diese Lösung durchgepresst wird. Das was unten aus dieser Platte rauskommt sind super dünne Spaghettiartige Fäden, die in einem sogenannten „Fällbad“ danach, zu Fasern verfestigt werden. Wie ihr euch vielleicht schon denken könnt, wird hier ganz schön viel Chemie eingesetzt, weswegen es vor allem wichtig ist, dass die Modalfaser in einem Betrieb hergestellt wird, der in Ländern produziert, in denen strenge Abwassergesetze gelten. Das MicroModal für diesen Body ist von der Firma Lenzing aus Österreich, die wirklich Vorreiter auf diesem Gebiet sind und extrem viel in Chemikalienrückgewinnung und nachhaltiger Verbesserung von Prozessen investiert.

Modal ist übrigens der kleine verbesserte Bruder von Viskose. Das heißt, dass das Viskoseverfahren modifiziert worden ist um bessere Eigenschaften zu erzielen. Und wenn euch schon mal der Begriff Lyocell/ Tencel®  (letzteres ist einfach der Marktname von Lenzing für Lyocell )über den Weg gelaufen ist: das ist auch eine Regenerative Cellulosefaser mit einem verbesserten Verfahren was die benötigte Chemie und die Eigenschaften angeht.

MicroModal heißt einfach nur, dass die Löcher in unserer runden Platte, durch die das Material gepresst wird, unglaublich fein sind. Diese super feinen Fasern ergeben dann ein total angenehm weiches Tragegefühl.

Stricken

Verstrickt wird das Garn auf Rundstrickmaschinen. Da steckt eigentlich schon alles im Namen drin. Vorstellen könnt ihr euch das wie eine überdimensionale Stricklisl ( falls dem ein oder anderen das noch geläufig ist), die sich mehr als 6000 mal die Minute dreht. Das was unten rauskommt ist ein Schlauch und das Material nennt sich dann Single Jersey. Beim Stricken werden außerdem noch Elasthan Fäden mitverstrickt damit der Body am Ende schön dehnbar und elastisch wird.

FärbenBleichen

Wie oben bereits erwähnt, das ist echt nicht mehr so common, dass ein Betrieb eine hauseigenen Färberei hat. Viele textile Prozesse bei denen Chemie verwendet wird, werden vermehrt outgesourced. Färben ist ein wirklich komplexer Prozess und nicht zu unterschätzen. Es gibt kaum noch Leute in Deutschland, die das wirklich drauf haben – einer von denen, die noch was können sitzt eben in Albstadt Tailfingen.

Unser gestrickter Schlauch wird jetzt also im Stricksaal abgeschnitten, von bewundernswerten Frauen auf Fehler untersucht und dann in die Färberei gebracht. Beim Färben versucht man nichts anderes als den Farbstoff gleichmäßig in die Faser zu bekommen und ihn da dann auch irgendwie zu binden. Denn wir wollen später unseren Body in die Waschmaschine stecken, ohne dabei wieder allen Farbstoff raus zu waschen. Der Stoff für unseren Body wird in einem Verfahren gefärbt, dass es ermöglicht wenig Wasser und Farbe benutzen zu müssen aber gleichzeitig eine gute Durchfärbung garantiert. So und wer jetzt immer dachte, da kommt nur ein bisschen Farbstoff ins Wasser und that´s it den muss ich leider enttäuschen. Es gibt zig verschiedene Färbeverfahren, je nach dem welche Faser man Färben will, wie brilliant oder Lichtecht das Ergebnis sein soll, welche Farbe man will und so so weiter. Unser Body wird eben mit einem Verfahren gefärbt, dass mit Cellulose gut funktioniert. Und was kommt da jetzt rein? Erst mal brauchen wir einen Farbstoff der es schafft, sich an die Faser zu binden, das geht mit Chemie. Dann braucht man vielleicht noch Netzmittel, Salz ( ja gut das ist jetzt nicht so giftig ), Natronlauge, Essigsäure um die Natronlauge zu neutralisieren, dann noch Seifmittel und am Schluss ggf noch was um die Waschechtheit zu verbessern. Und dann macht das jeder Betrieb natürlich nach persönlichen Erfahrungswerten. Ihr merkt also wie wichtig es ist, einen Überblick über all diese verwendeten Chemikalien zu haben. Unser Body ist mit Textilhilfsmitteln, Farbstoffen und Rezepturen nach Öko-Tex oder GOTS Standard gefärbt. Außerdem geht das Abwasser direkt ins lokale Klärwerk und muss also gefühlt klinisch rein, nach Deutschen Standards im Betrieb aufbereitet werden.

KalandernBügeln

Wenn wir unseren gestrickten Schlauch gefärbt und gewaschen haben muss er ja obviously trocken werden um genäht werden zu können. Das geht aber nicht easy auf der Leine oder im Wäschetrockner wie daheim, sondern benötigt mehrere Schritte – denn der Textiler ist ja dafür zuständig dass der Body in dem Trockner zu Hause nicht eingeht.

Die gefärbte Ware wird dafür „thermisch behandelt“. Das heißt, dass sie speziell getrocknet wird damit sie eben später nicht mehr eingehen kann. Dann wird der Schlauch aufgeschnitten, auf einem Spannrahmen gespannt und daraufhin für die Konfektion aufgerollt. Wenn man in diesem Schritt versagt, hat der Kunde mit dem fertig Produkt keinen Spaß. Außerdem können in diesen Schritten Glanz, Glätte, Warengriff und Warenoptik eingestellt werden, was den Body am Schluss dann auch so seidig weich macht.

Zuschneiden

Getrocknet und Glatt kommt der Stoff dann in den Zuschnitt. Hier wird je nachdem wie das Endprodukt aussehen soll, maschinell oder von Hand zugeschnitten. Beim Zuschnitt werden einfach aus dem Stoff die Teile so ausgeschnitten, dass sie später an der Nähmaschine ein fertiges Kleidungsstück, nämlich unseren Body, ergeben.

Nähen

Früher wurde alles in Deutschland genäht, aber Kosteneinsparenden Maßnahmen haben selbst vor diesem Betrieb keinen Halt gemacht, weswegen ein der Teil der Konfektion nach Osteuropa ausgelagert wurde. Dieser Teil ist natürlich auch Arbeitsrechtlich zertifiziert und geprüft. Wir nähen hier also unsere geschnittenen Teile zusammen und unser Body ist fertig.

Verpacken

Dann muss das Textil nur noch verpackt werden – natürlich Plastik frei. Dieser Teil passiert auch im Betrieb selbst.

Und fertig ist unser Body. Wow! Sieben Schritte braucht es um so ein einfaches Teil herzustellen, dabei sind ordentlich Know-how, Maschinenkraft und viele Hände gefragt. Ich hoffe ihr versteht nach diesem langen Artikel nur noch einmal mehr, warum der Wiederaufbau von Wertschätzung für Textilien so so wichtig ist.

Es wird unheimlich viel Wissen und Energie in diese Teile gesteckt, dass unser aktuelles „ ich geh mal nen Liter Milch und ein Shirt kaufen“ Konsumverhalten fast an peinliche Ignoranz grenzt.

Was ihr mitnehmen könnt: denkt das nächste Mal, wenn ihr was kauft an die vielen tollen Menschen, die hinter diesem Teil stehen. Pflegt eure Kleidung und behandelt sie mit dem gebührenden Respekt und Wertschätzung den sie verdient hat.

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Ich trage hier den Strinbody in Gr.38

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Hier trage ich den Langarmbody in Gr. 38

melon
Kategorie Let's talk about Textiles

Ich will ein Teil der „Generation Textilingenieur*innen“ sein, die sich an dem David-gegen-Goliath-Spiel in der Textilindustrie versucht – in grün natürlich. Deswegen glaube ich fest daran, dass Wissen Macht bedeutet und jede*r Konsument*in das Recht darauf hat, zu erfahren, was hinter den Produkten steht, die sie täglich konsumieren oder auf der Haut tragen. Lasst uns Anfangen nachzudenken und die richtigen Fragen zu stellen! Die Homepage unserer Chiengora Wolle findet ihr unter https://modusintarsia.com/

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